Das Textilmuseum wird in diesem Jahr eine Ausstellung zur Geschichte der Kalksandsteinindustrie in Rheine präsentieren. Klar kennt jedes Kind – oder vielleicht auch nicht? – den Kalksandstein aus Gellendorf. Mehr als 111 Jahre produzierte das altehrwürdige Kalksandsteinwerk in Gellendorf seine weißen Steine. Weniger bekannt ist vielleicht, in welch starkem Maße der seit 1898 in Rheine-Gellendorf maschinell gefertigte Kalksandstein auch in unserer Stadt verbau wurde, ja geradezu Basis und Vorraussetzung für deren städtebauliche und wirtschaftliche Entwicklung lieferte.
Neben den rechts der Ems gelegenen reichen Vorkommen an Kalken am Thieberg und Waldhügel sind es die am rechten Emsufer gelegenen Lagerstätten an qualitätvollen Flusssanden, die eine günstige Ausgangssituation für eine Kalksandsteinproduktion darstellten.
Das Rheiner Kalksandsteinwerk von 1898 war eine der ersten Produktionsstätten für diesen von Beginn an in fabrikmäßigem Maßstab gefertigten neuartigen Baustoff und mit der bis Sommer 2009 aufrechterhalten Produktion zugleich das bis dahin älteste am Standort noch produzierende Kalksandsteinwerk Europas.
Dies ist nun Anlass, das Wirken und Werden dieses einst wichtigen Industriezweiges für Rheine einmal näher in einer Überblicksausstellung darzustellen. Eine Reihe wertvoller Industrieaufnahmen zur Herstellungsweise lieferte hierzu die Basis. Wichtige Etappen der Betriebsentwicklung, reflektierend auf die Etappen der städtebaulichen Entwicklung Rheines, sollen Ansätze einer quantitativen und qualitativen Würdigung des Baustoffs Kalksandstein bieten. Ferner sollen die Alltagswelt des Kalksandsteinwerkers, das Herstellungsverfahren und vor allem die Spuren des Gebrauchs des weißen Steins im Stadtbild der Stadt dargestellt werden. Die letzten in Rheine produzierten Kalksandsteine („letzte Schicht") werden in Film und Fotos dokumentiert.
Das Textilmuseum trägt sich schon seit längerem mit dem Gedanken, den einst überaus bedeutsamen Wirtschaftszweig der Stadt in einer Ausstellung zu würdigen. Als wir mit dem Ausstellungsprojekt zunächst an die Stadt Rheine, dann an die frühere Betreiberfirma Cirkel sowie an die jetzige Betriebs- u. Kalksandsteinvertriebsgesellschaft BMO in Osnabrück herantraten, erhielt das Vorhaben zunächst recht viel Beifall und Unterstützung. Inzwischen wurden viele Zeitzeugen befragt, alte Fotos mit Hilfe des Rheiner Photohistorischen Arbeitskreises (namentlich mit Wilfried Brümmer) identifiziert, alte Unterlagen vom Kalkwerk mit Norbert Menke herausgesucht und schließlich die Feldbahnexperten in Gellendorf und Wadelheim zum Fuhrpark befragt. Manche Überraschung halten wir für unsere Besucher parat, so etliche sog. „Referenzfotos" von stadtbekannten Gebäuden in Rheine, von denen gar nicht bekannt war, dass sie zu großen Teilen aus Kalksandstein gebaut wurden. Der 1911 gegründete Wohnungsbauverein wurde mit der visionären Absicht, preiswerten Wohnraum zu schaffen, einer der größten Abnehmer von Kalksandstein - und ist die bis heute. Hier hat der Kalksandstein so manchen Straßenzug in Rheine geprägt.
Zu guter Letzt sollte es uns gelingen, aus der bewährten Hand August Beckerings, Maler aus Gellendorf, ein altbekanntes Bild vom Kalkwerk von 1927 aus dem Besitz des vormaligen Werkleiters Dietrich Wehrmeyer für die Ausstellung auszuleihen. Das großformatige Bild gibt in liebenswürdig-naiver Weise viele Details aus dem recht harten Alltag am Kalkwerk wieder. Es heißt, Günter Wehrmeyer, der letzte Besitzer des Bildes, habe noch bis ins hohe Alter den Großteil der dargestellten Kalkwerker mit Namen aufzählen können. Bis alles dort hängt, wo es hängen soll, ist für die Mannschaft des Textilmuseums noch viel Arbeit zu erledigen. Fest steht, dass die Ausstellung am 31. Juli um 19 Uhr feierlich eröffnet wird und unsere Jahresausstellung dann der Beitrag des Textilmuseums für die diesjährige Nacht der Museen am 1. August (von 19 – 24 Uhr geöffnet) sein wird.
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